Jeder von uns merkt im Alltag, dass Maschine und Mensch längst noch nicht dort sind, wo Visionäre und Märchenerzähler sie gerne hätten. Nehmen wir beispielsweise der Deutschen Lieblingsspielzeug – das Auto. Es tut letztendlich nichts Anderes, als uns von Aachen nach Berlin zu bringen. Wir können uns sowohl fahren lassen, von Freunden oder Fremden, als auch selbst hinters Steuer steigen. Einen Wagen besitzen müssen wir in Zeiten der Sharing-Economy nicht mehr. Autovermieter haben es längst erkannt. Aber erst das „Carsharing“ ohne feste Mietstationen (wie das Projekt „DriveNow“) verspricht, zumindest in Großstädten, grenzenlose und unkomplizierte Mobilität. Leider führt genau dieses Versprechen manchmal in eine Sackgasse. Schuld daran ist die menschliche Fehlbarkeit, die Marketingleute so gekonnt hinter emotionalen Bildern und lässigen Worten verstecken.
„Alles inklusive“, „überall abstellen“, „trockene Füße trotz des Regens“, „keine Hektik“, „einfach losfahren“. Das klingt so überzeugend. Insbesondere dann, wenn Ihr Weg zum Flughafen sich zwar mit den Jahren nicht verändert hat, aber die Gebühr für ein Taxi – hin und zurück – inzwischen so hoch ist wie der Preis für einen Linienflug mit der Lufthansa. Die wenigen Taxifahrer, die nicht den Gast nach dem Weg fragen und darauf verzichten, einen auf der Autobahn in Todesangst zu versetzen, mögen die Entwicklung rechtfertigen. Ich entschied mich vor Kurzem dennoch für die Alternative, die Gefahr selbst zu steuern – für einen Viertel der Kosten.
Die einzige Hürde zwischen mir und dem Auto: die Validierung, also die Bestätigung, dass ich im wahren Leben ich bin und nicht Sie. Auf der Website des Anbieters konnte ich, nachdem ich während der Anmeldung einiges über meine Person preisgegeben hatte, für diesen Vorgang viele Orte in meiner Nähe wählen. Der Tagesverlauf und das Schicksal schickten mich zu einer Autovermietung.
Dort wartete ein freundlicher Herr mit seinem Tablet. Gemeinsam meisterten wir den ersten Schritt: Scannen eines mir zugeordneten QR-Codes. Dabei stellten wir fest: Ich hatte einen Fehler bei der Eingabe der Führerscheinnummer gemacht. Der Herr mit dem Tablet war nicht befähigt, mich zu korrigieren. Also griff ich zum Mobiltelefon, rief die eigens für den Carsharing-Dienst programmierte App auf und fand keine Möglichkeit, meinen Irrtum auszuradieren. Ich bemühte die mobile Version der Website, bei der mich ein Kästchen mit der Aufschrift „Ein Fehler ist aufgetreten“ zum Stillstand brachte.
Danach versuchte ich es mit der Hotline. Auf dem heißen Stuhl saß ein, der Stimme nach, junger Mann, der die Herausforderung annahm, mir neue Ziffern zuzuordnen. Es folgte ein unterhaltsamer Dialog.
„Ich kann die Nummer nicht speichern.“
„Und was soll ich jetzt machen?“
„Ich kann die Nummer nicht speichern.“
„Können Sie nicht jemanden Fragen?“
„Mhm. Ja. Bleiben Sie bitte dran.“ Hier vermute ich, begab sich der Herr auf die Toilette. Denn sein nächster Satz lautete: „Es tut mir leid, aber ich kann die Nummer nicht speichern.“
Ich hatte sein Prozessdiagramm vor meinen Augen. Er war an die Stelle gelangt, an der man die Nummer eingibt und speichert. Doch dann ging es nicht weiter. Die Eventualität, dass etwas nicht gespeichert werden kann, hatte niemand vorhergesehen. Und nun saß er da. Mit seinem „Ich kann die Nummer nicht speichern.“ Was sollte er auch sonst sagen?
„Ich verstehe, also – was empfehlen Sie mir jetzt alternativ zu tun?“
„Sie müssen es an einem PC versuchen.“
„Aber ich bin hier bei der Autovermietung (- die übrigens keinen Zugriff aufs Internet hat -) und würde meine Identität gerne validieren lassen.“
„Sie müssen es an einem PC versuchen.“
„Na gut. Vielen Dank.“
Entnervt wollte ich die freundliche Autovermietung verlassen, doch ein Ritter in Jeans und weißem T-Shirt, der beim Warten auf sein Fahrzeug das Geschehen beobachtet hatte, hielt mich davon ab.
„Wollen Sie es auf meinem Handy versuchen?“
„Aber…“
„Wer weiß, vielleicht funktioniert es ja.“
Wir versuchten es. Und staunten nicht schlecht (ich mehr als er): Das „Ein Fehler ist aufgetreten“ Kästchen tauchte nicht auf. Sein Betriebssystem war älter als meines und scheinbar besser gelaunt. Na gut, die Stelle zu finden, an der man die Führerscheinnummer doch noch theoretisch ändern konnte, kostete uns beide mindestens fünfzehn Minuten unseres Lebens. Aber, irgendwann waren wir in der richtigen Maske angelangt!
„Dieser Wert existiert bereits.“ Das sagte diese freche Maske. In Rot.
Mein Ritter musste weg. Er bot mir an, mich mitzunehmen. Aber ich blieb. Denn der freundliche Autovermieter, der meine Verzweiflung sah, ließ seine Fantasie spielen, scannte noch einmal den QR-Code. Und – oh Wunder – meine Identität, samt neuer Führerscheinnummer wurde bestätigt. Der Mann an der Hotline konnte doch die Nummer speichern. Er war nur nicht in der Lage, es mir im Nachhinein mitzuteilen – Anrufe bei Kunden sind in seiner Aufgabenübersicht nicht vermerkt.
Eine nicht unbedingt menschenfreundliche Website. Ein ganz und gar menschlicher Kundendienst. Eine völlig alltägliche Erfahrung. Die schönen, bunten Versprechen einzulösen ist gar nicht so einfach. Menschen produzieren nämlich unzählige Systemfehler.