Massen von Menschen drängen in die Stadt, obwohl niemand zum Flashmob aufgerufen hat. Der größte Geizkragen von London wird über Nacht zum Gutmensch. Ein bärtiger Mann zieht seine rote Uniform an, spannt eine Herde Rentiere zum weltweiten Arbeitseinsatz ein und niemand ruft den Tierschutz. Überall flackern Lichter und der Klimawandel: nur ein Echo aus einer anderen Welt. Fröhliche Gesichter versammeln sich rund um einen stacheligen Baum. Sie singen, packen Geschenke aus, lachen. Fernab, in einem kalten Zimmer, ertrinkt jemand in dunkler Einsamkeit. Nichts zu spüren von der kollektiven Verzauberung, die immer früher im Jahr herauf beschworen wird. Der Hase ist kaum davon gehüpft, schon erinnern Lebkuchen in Supermarktregalen daran, dass man nicht früh genug damit anfangen kann, Behaglichkeit in einem Stück Schokolade zu suchen. Kein Fest so geliebt. Keines so gehasst. Es ist Weihnachten.
Schon wieder? Wo ist das ganze Jahr hin?
Das kommt darauf an, was Sie so getrieben haben. Den Senator-Status bei der Lufthansa erflogen? Hart gearbeitet, um den Kindern eine bessere Schule zu ermöglichen? Sich im Alltag verloren? Spielt keine Rolle. Es ist wieder soweit. Die Reisebranche freut sich, der Einzelhandel noch mehr. Friseure haben es da schon schwieriger. Wer lässt sich heutzutage noch an Heiligabend eine Hochsteckfrisur machen? Aber auch wenn die Traditionen sich ändern: Hierzulande bedeutet Weihnachten eine Ausnahmesituation. Weihnachtsprodukte. Weihnachtspreise. Weihnachtswerbung. Weihnachtsverkaufsflächen. Weihnachtspersonal. Weihnachtskarten. Der Marketing-Mix wird zum Fest alle Jahre wieder neu entdeckt. Eines bleibt jedoch gleich: Der Goldstaub verpufft spätestens am ersten Januar. Als wäre nichts gewesen, stürzt die Welt sich in ein neues Jahr. Weihnachten? Längst vergessen.
Und da ist es plötzlich. Das Wort, das einem inzwischen aufstößt, als sei es der „Cobbler“ (Süßspeise) aus dem Film „Der Gott des Gemetzels“: Nachhaltigkeit. Zu einer Phrase verkommen, sucht der Begriff Rehabilitation. Wie schafft man es, dass Weihnachten positive Assoziationen auslöst und diese länger als drei Tage andauern? Man muss dazu keinen Welpen verschenken, der viele Jahre in der Familie bleibt. Voraussetzung: Mut zum Anderssein und die richtige Zielgruppe.
Emotion
Muss Weihnachtsdekoration schon im Oktober hängen? Es gibt Konsumenten, denen das tatsächlich zu früh ist. Sie verdrehen die Augen und laufen vor diesem sichtlich künstlich erzeugten Reiz davon. Wie wäre es wenn Sie Ihre Kunden zum ersten Advent einladen? Geben Sie ihnen doch das Gefühl, dass man sich einer Massenbewegung nicht anschließen muss. Auch im Dezember kann man alles verfügbar machen. Und im neuen Jahr, wenn die Konkurrenz längst auf Ostern zusteuert: Erkundigen Sie sich wie das Weihnachtsfest war.
Zeit
Wie wäre es, wenn Sie Zeit verschenken? Warum nicht einen Weihnachtsengel einstellen? Im großen Kaufhaus oder einem Stadteil holt er den Kunden ab, klärt das Budget und bringt eine Auswahl an potentiellen Geschenken, die nur noch abgenickt werden muss. Während dessen verbringt der Kunde mit seinen Lieben Zeit, zum Beispiel auf der Eisbahn, die von den Auftraggebern des Engels aufgebaut wurde. Von diesem Ereignis spricht die Familie sicherlich noch beim nächsten Weihnachtsfest.
Erinnerung
Statt Weihnachtskarten versenden viele Unternehmen elektronische Post, wegen der ökologischen Nachhaltigkeit, natürlich. Dieselben Unternehmen erfreuen ihre Kunden bei der nächsten Messe mit ausgefallenen Mailings. Irgendwie seltsam. Oder doch nicht? Vielleicht sind zwei unterschiedliche Personen für diese andersartigen Strategien verantwortlich: eine für Direktmarketing, die andere für Veranstaltungen. Wie wäre es, wenn Sie auf Weihnachtspost gänzlich verzichten? Laden Sie doch Ihre Kunden zu einem gemeinsamen Ereignis ein: Suppe austeilen in der Bahnhofsküche, Vorlesen von Weihnachtsgeschichten im Kindergarten oder Verteilen von Decken in einer kalten Nacht.
Wärme, Besinnlichkeit, Kindheitserinnerungen. Jeder sucht etwas anderes. Doch meistens ist Weihnachten lediglich Glückseligkeit auf Zeit. Das muss nicht so sein.