Fernglas als Symbol für Marktforschung

Jemand da draußen?

Man kann Entscheidungen ohne die Unterstützung von Fakten treffen. Stürzt man sich kopfüber in sechzig Zentimeter tiefes Wasser sind die Konsequenzen recht überschaubar. Im Geschäftsleben geht es nicht immer so geradlinig zu, aber es gibt ein bewährtes Hilfsmittel: Marktforschung.

Wie so viele Begriffe der deutschen Sprache wird auch dieser von einem Anglizismus angegriffen. Der Übeltäter heißt „Market Research“. Welchen Ausdruck man auch bevorzugt, beide wollen auf das Gleiche hinaus: Informationen sammeln, auswerten, als Handlungsgrundlage nutzen.

Die Welt der Marktforscher ist für Neulinge nicht frei von Dramatik. Es kursieren Gerüchte (Spinat enthält sehr, sehr viel Eisen), Seuchen grassieren (Mafo, eine Verwandte von Perso), geisterhafte Gestalten besuchen unwissende Handelnde (Mystery Shopping). Davon braucht man sich nicht einschüchtern zu lassen. Es geht nur darum, herauszufinden wie Wettbewerber handeln, Kunden denken und die Umgebung sich entwickelt.

Marktforschung bietet nicht nur eine Hilfestellung bei der Erreichung des Ziels, sondern auch bei seiner Definition. Die Werkzeugpalette ist je nach Reisegruppe (einsamer Wanderer oder voll besetzte Luxuskreuzfahrt) unterschiedlich und wird in der Fachliteratur ausführlich behandelt. Wikipedia stellt, wie zu fast jedem erdenklichen Thema, eine Übersicht zur Verfügung.

Auf seiner Erkundungsreise trifft der Markterforschende auf viele Phänomene.

 

Alibi-Forschung

Viele Unternehmen betreiben Marktforschung als Alibi. Entscheider oder ihre Berater möchten das, was sie sich ausgedacht haben, attestieren. Zu diesem Zwecke filtern sie genau die Informationen heraus, die diese geschaffenen Fakten bestätigen. Das ist keine Marktforschung; das ist selbstgefällige Täuschung. Man möchte nicht hinaus schauen, sondern sich drinnen wohler fühlen. Bis das Haus einstürzt. Doch bis dahin sind die Verantwortlichen längst davon geschlichen.

 

Gedankenloses

Vorbereitung erhöht den Return on Investment. Mit an Bord: Zielsetzung, Briefing, Abstimmung, Dialog, Feedback. Ob man selbst hinaus geht oder andere für sehr viel Geld beauftragt: Wenn man sich keine Gedanken darüber macht, was man eigentlich wissen möchte, dann wird das Ergebnis womöglich enttäuschen. Henryk Sienkiewiczs Roman „Quo vadis?“ war nicht nur wegen seines Titels erfolgreich. Man darf den Satz dennoch zum eigenen Mantra machen, um nicht wie der Nero der Marktforscher zu enden.

 

Zusammenhangloses

Auf dem Nukunonu-Atoll beträgt die durchschnittliche Sterbensrate von Eintagsfliegen pro Tag 22,5% der gesamten Fliegen-Bevölkerung.

Aha.

Statistiken sind ein mächtiges Mittel, das man hervorragend in noch mächtigere Powerpoint-Folien einbinden kann, deren Nutzung Tausende von Unternehmen verfallen sind. Werden Zahlen aus dem Zusammenhang gerissen, nützt allerdings die schönste Folie nichts. Es lohnt sich, die Notizblatt-Funktion zu nutzen und hinter die Kulissen zu schauen: Ist diese Information für die Umgebung in der ich mich bewege relevant?

(Diese Statistik ist erfunden. Viele echte Statistiken findet man auf der Website von Statista.)

 

Einheitsbrei

New York liegt bekanntlich nicht an der Nordsee und Hamster sind keine Hunde. Und dennoch kommen nicht wenige Menschen auf die Idee, Statistiken zu verallgemeinern. Von spezifischen Daten wird so gesprochen, als würden sie für die ganze Welt gelten. Seltsam aber wahr: Die fast sieben Milliarden Erdenbewohner können nicht einem einzigen Muster zugeordnet werden, und Amazon verkauft nicht in jedem Land mehr elektronische Bücher als gedruckte.

 

Computerliebe

Elektronische Umfragen sind günstig, ich mache mal schnell eine. Diese Einstellung kann den Ausführenden teuer zu stehen kommen. Es gibt Abhilfe. Entschleunigung ist der erste Schritt. Nachdenken der zweite. Sorgfalt walten lassen, der wichtigste. Es würde doch niemand auf die Idee kommen zu sagen: Ich mache mal schnell eine Herztransplantation per Ferndiagnose. (Sie kennen sicher den Unterschied zwischen „Not-und-Elend-Klinik“ und „Emergency Room“?)

 

Zeit ist Geld

Zeit, zuzuhören und in Dialog zu treten, verwandelt sich tatsächlich, früher oder später, in Bares. Es geht altmodisch: Das gute alte Gespräch. Oder ganz modern: Social Media. Immerhin bietet es, je nachdem wo man steht, ein Grundrauschen, das man leise hören und für sich auswerten kann. Wenn man mag und genügend Ressourcen zu Verfügung hat, funktioniert auch der Dialog online.

 

Also, bevor sie mit einem neuen Unternehmen, Produkt oder einer anderen kommerziellen Aktivität anfangen, warum nicht fragen: Ist jemand überhaupt da draußen? Wenn ja, wie sieht er aus? Was will er? Warum sollte er es von mir kaufen und nicht von den anderen? Aber bitte nicht vergessen: Wenn sie all die Antworten gefunden haben, machen Sie etwas daraus. Sonst war die Reise umsonst.

5 Gedanken zu „Jemand da draußen?“

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